Disruption beschreibt den Prozess, der ein etabliertes Geschäftsmodell oder eine bestehende Technologie durch eine innovative neue Lösung in kurzer Zeit und zu einem Bruchteil der Kosten ersetzt bzw. komplett verdrängt. Disruption leitet sich vom englischen Wort „to disrupt“ ab und bedeutet soviel wie „stören“ oder „unterbrechen“.
Eine der bedeutendsten Disruptionen ist die Erfindung des Buchdruckes. Vor der Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg im Jahr 1450 wurden Bücher von Mönchen handschriftlich abgeschrieben und so kopiert. Die Vervielfältigung von Wissen über das Kopieren von Büchern war also entsprechend langwierig und aufwändig. Im Mittelalter waren die Klöster die Zentren des Wissens. Mönche hüteten das Wissen denn der Großteil der Bevölkerung konnte weder lesen noch schreiben. Hinzu kommt, dass die vorhandenen Bücher in lateinischer Sprache verfasst waren. In diesem Sinne kann die Erfindung des Buchdruckes als klassisches Beispiel einer Disruption verstanden werden. Durch den Einsatz von Druckmaschinen mit beweglichen Lettern konnten plötzlich komplette Seiten und somit ganze Bücher im industriellen Maßstab hergestellt und vervielfältigt werden. Dieser technische Fortschritt ermöglichte es, das Wissen in nie gekannter Geschwindigkeit und zu einem Bruchteil der bisherigen Kosten zu vervielfältigen. Diese Disruption sorgte dafür, dass Bücher ihren exklusiven Status verloren und plötzlich auch breiteren Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werden konnten. Innerhalb kurzer Zeit verloren die Klöster an Bedeutung. Die Übersetzung der Bibel ins Deutsche durch Martin Luther löste die Reformation aus und hätte sich ohne die Disruption durch den Buchdruck nicht in der bekannten Geschwindigkeit verbreiten können.
Die Verdrängung der analogen Fotografie durch digitale Techniken sind ein weiteres Beispiel für Disruption. Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurden Fotos auf Kameras mit Filmrollen festgehalten. Ein Film umfasste 20-30 Bilder und nachdem alle Fotos eines Films geschossen waren wurde der Film zur Entwicklung der Bilder in einem entsprechendem Geschäft abgegeben. Nach einigen Tagen konnten die entwickelten Fotos dann abgeholt werden und man hat zum ersten Mal gesehen ob die Fotos gelungen oder verwackelt waren. Mit dem Aufkommen der digitalen Fotografie erlebte die Branche eine wahre Disruption, da die Menschen den Vorteil der digitalen Fotografie direkt erkannten und durch ihr Änderung in ihrem Verhalten die Disruption beschleunigten. Durch die digitalen Techniken wurde es möglich, die geschossenen Fotos in einer digitalen Vorschau schon vor der eigentlichen Entwicklung zu sehen, zu bearbeiten oder ggf. auch zu verwerfen. Fotos können heutzutage direkt am heimischen Drucker gedrückt werden und die analoge Fotografie hat mittlerweile nur noch eine Nischenbedeutung. Die Geschwindigkeit in der Veränderung hin zu einer schnelleren, günstigeren und einfacheren Lösung im Bereich der Fotografie durch Digitalisierung erfüllt in diesem Sinne alle Merkmale einer Disruption.
Das Internet, als eine der bedeutendsten Erfindungen in der Geschichte der Menschheit, stellt in sich eine Disruption dar und bietet gleichzeitig auch die Grundlage für viele weitere Disruptionen, die auf den Strukturen und Möglichkeiten der weltweiten Vernetzung aufbauen und erst dadurch möglich geworden sind. Die Disruption welche durch das Internet ausgelöst wurde betrifft den Austausch von Wissen. Vor der Entwicklung des Internets konnte zum Beispiel Universitäten ihre Forschungsergebnisse über Printmedien veröffentlichen und der Allgemeinheit zugänglich machen. Heute sind alle Universitäten durch das Internet verbunden und können ihre Ergebnisse quasi in Echtzeit und zu minimalen Kosten miteinander teilen. Allein in diesem Beispiel stecken direkt weitere Disruptionen verschiedener Branchen durch das Internet. Zum Beispiel wird das Geschäftsmodell von Zeitungsverlagen seit der weltweiten Vernetzung und der Verbreitung des Internets durch Onlinemedien angegriffen und disruptiert. E-Mail kann als Disruption des klassischen Postversandes angesehen werden. Wissen wird durch Onlineplattformen wie Wikipedia für alle Menschen zu einer Art allgemein verfügbaren Guts.
Smartphones sind eine weitere Disruption die das Leben der Menschen in kürzester Zeit radikal verändert haben. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Kombination von vorhandener technischer Möglichkeiten zu einem cleverem Produkt dazu führen kann, ganze Branchen zu disruptieren. Die Erfindung der mobilen Telefonie lag schon einige Jahre zurück als Steve Jobs das erste iPhone vorstellte. Es wurde im Jahr 2007 als Kombination aus iPod, Telefon und Gerät für den mobilen Internetzugang angepriesen und sollte die Welt verändern. Durch die Verbindung zum Internet wurden die Telefone smart und konnten von da an, den Wissensdurst der Menschen in kürzester Zeit und bis dahin unbekannter Benutzerfreundlichkeit stillen. Die einfache Bedienung eines Smartphones über die Gestensteuerung mit dem Finger erlernen heutzutage bereits Kleinkinder spielend und zeigen, wie einfach diese Art der Bedienung fällt. Gleichzeitig sind Smartphones durch die ständige Verbindung zum Internet in der Lage ortsbezogene Dienste anzubieten, die den Menschen einen umfassenden Mehrwert bieten. Da das Smarthpnone so viele Funktionen in sich vereint, ist es nicht verwunderlich dass die bis dahin bestehenden Weltmarktführer auf dem Gebiet der mobilen Telekommunikation dieser Disruption nicht viel entgegenzusetzen hatten. Ja, man kann auch mit einem Nokia Handy gut telefonieren, aber ein Smartphone ist eben auch gleichzeitig ein Musikplayer, eine Digitalkamera, ein Navigationsgerät und vieles mehr. Mittlerweile sind Milliarden von Menschen durch Smartphones jederzeit mit dem erst der Welt verbunden. Das Ausmaß dieser Disruption können wir bisher nur schwer greifen, da vor allem die Langzeitauswirkungen aus dem Umgang ständigem Umgang mit Smartphones bisher nicht abzusehen sind. Auf Basis der bestehenden Möglichkeiten folgen immer mehr Disruptionen in verschiedenen Branchen und Lebensgebieten. Social Media Dienste wie Facebook, WhatsApp, Pinterest, Instagram und Co verändern das Leben der Menschen weiterhin in ungeahnter Geschwindigkeit und bringen auch bisher unbekannte Probleme wie zum Beispiel die Internetabhängigkeit mit sich. Allmählich wird klar, dass Menschen auf der Jagd nach immer mehr Likes und der Anerkennung ihrer digitalen Freunde das reale Leben vernachlässigen (können) was zu tatsächlichen Problemen in der analogen Wirklichkeit führen kann.
Die vorangegangenen Beispiele haben gezeigt, dass Disruption kein Phänomen der Moderne ist. Vielmehr gibt es Disruption schon immer als Bestandteil der stetigen Weiterentwicklungen durch Forschung und Entwicklung. Der Grund für die zunehmende Beschleunigung von disruptiven Innovationen liegt zum einen im technischen Fortschritt allgemein und der weiter voranschreiten globalen Vernetzung. Durch den Fortschritt in den Bereichen Technologie und Digitalisierung könnten die Kosten für bestehende Produktionsverfahren oder angebotene Rechenleistung in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch reduziert werden. Dadurch stehen Bausteine für mögliche disruptive Erfindungen nun nicht mehr nur Großkonzernen zur Verfügung, die aufgrund ihrer Finanzstärke in der Lage sind die notwendigen Investitionen zu tätigen. Vielmehr erhalten heutzutage auch Start Ups mit kleinen Budgets aber großen Ideen die Möglichkeit ihre Vision in die Tat umzusetzen und auf diesem Weg eine Disruption in Gang zu setzten. Dabei stellt die Agilität und die Flexibilität von Start Ups einen Vorteil gegenüber der Schwerfälligkeit von trägen Konzernriesen dar, die oft erst reagieren können, wenn die Disruption schon in vollem Gange ist.
Die Vernetzung der globalen Wirtschaftswelt im 21. Jahrhundert trägt dazu bei, dass sich Disruptionen in kürzester Zeit über den gesamten Erdball ausbreiten können. Eine Disruption, ausgelöst durch einen geniale Idee in einem lokalen Markt kann z.B. durch Skalierung des Geschäftsmodells durch Digitalisierung in kürzester Zeit das Verhalten und die Gewohnheiten von Milliarden Menschen verändern und auf diesem Weg etablierte Konzernriesen und Wanken und zum Einsturz bringen. Es wird für Unternehmen daher zunehmend wichtig, sich nicht auf ein bestehendes Geschäftsmodell zu verlassen. Methoden und Prozesse, die in der Vergangenheit gut funktioniert haben, müssen nicht zwangsläufig auch in der Zukunft weiterhin Ertrag versprechen. Mittlerweile reift der Gedanke, dass es sinnvoll sein kann, die eigenen Vorgehensweisen beständig zu hinterfragen um neue Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Nur diejenigen Firmen werden langfristig bestehen können, die eine Kultur hin zum beständigem Wandel und kontinuierlicher Weiterentwicklung etablieren können. Eine Disruption vollzieht sich mit hoher Geschwindigkeit, so dass Unternehmen mit starren Strukturen nicht in der Lage sein werden auf den aufziehenden Wandel zu reagieren.
Die zukünftigen Entwicklungen in Technologie und Digitalisierung werden weitere Disruptionen auslösen, die den Alltag der Menschen in verschiedenen Lebensbereichen grundlegend verändern werden. Dabei ist davon auszugehen, das der Trend der Beschleunigung von Disruptionen weiter anhält. Seit der globalen Vernetzung durch das Internet gab es allein in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Disruptionen. Diese werden in Zukunft als Grundlage für weiter Disruptionen dienen, welche durch neue technische Möglichkeiten oder durch die Kombination bestehender Technologien zu neuen Anwendungsmöglichkeiten entstehen werden. Die folgenden Beispiele umschreiben die zukünftig erwarteten Disruptionen im Bereich Technik. Die verschiedenen Begriffe und Konzepte sind mitunter nicht komplett voneinander abzugrenzen bzw. exakt definiert. Sie werden in den nächsten Jahren weiterhin an Bedeutung gewinnen und sich gegenseitig unterstützen bzw. aufeinander aufbauen. Fest steht, dass diese Entwicklungen bereits heute als zukünftige Disruptionen zu erkennen sind und massive Auswirkungen auf das Leben der Menschen in den kommenden Jahrzehnten haben werden.
Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren weitere Disruptionen auslösen. Durch den stetigen Rückgang der Kosten im Bereich Sensorik und Technologie werden in Zukunft immer mehr Geräte mit dem Internet verbunden sein. Es entsteht das Internet der Dinge in dem verschiedene Geräte untereinander kommunizieren können um Daten auszutauschen und so ganz neue technische Anwendungsfälle zu realisieren. Ein bekannten Beispiel ist zum Beispiel, dass der Kühlschrank in der Lage sein wird zu erkennen, wann die Milch aufgebracht wurde bzw. zu errechnen, wann diese aufgebraucht sein wird. Mit dieser Information ist der Kühlschrank dann in der Lage selbständig eine Bestellung beim örtlichen Lieferdienst auszulösen, der die frische Milch dann rechtzeitig liefert. Ein intelligentes Kamerasystem an der Wohnungstür wird den Boten erkennen und nach erfolgreicher Identifizierung die Wohnungstür automatisch öffnen. So gelangt die Milch dann auch direkt in den Kühlschrank. Natürlich kann der gesamte Prozess über das eigene Smartphones verfolgt und getrackt werden um so auch die notwendige Sicherheit zu gewährleisten. Allein dieses Beispiel zeigt die Möglichkeiten, die sich durch die zunehmende Digitalisierung ergeben werden. Die klassischen Geschäftsmodelle im Einzelhandel zum Beispiel müssen sich in Zukunft gegen Geschäftsmodelle wehren um nicht der Disruption zu erliegen.
Big Data ist ein weiterer technologischer Trend der das Potenzial für künftige Disruptionen bereithält. Aufgrund der steigenden Digitalisierung werden in Zukunft ungeahnte Mengen an Daten aus allen Lebensbereichen kostengünstig zur Verfügung stehen. Die Kunst wird es sein, aus diesen Massedaten über Algorithmen und Software tatsächliche Informationen über die menschlichen Verhaltensweisen und Bedürfnisse zu erlangen. In einem solchem Szenario könnte es zum Beispiel möglich sein, dass eine Software aufgrund von Veränderungen in physiologischen Daten in der Lage sein wird Krankheiten zum Beispiel frühzeitig zu erkennen und die entsprechende Therapie zu empfehlen. Außerdem könnte es möglich sein, die Bedürfnisse von Menschen schon frühzeitig zu erkennen und für jede Situation entsprechend das beste Produkt vorzuschlagen.
Künstliche Intelligenz (KI) beschreibt das Prinzip der Automatisierung von intelligentem Handeln durch Software in der Informatik. Auch wenn bereits der Begriff der „Intelligenz“ noch viel Spielraum zur Interpretation gibt, so ist die Richtung der Entwicklung doch unmissverständlich klar. Schon heute gibt es breite Anwendungsfälle für künstliche Intelligenz in den verschiedensten Gebieten. Schon im Jahr 1997 war der Schachcomputer Deep Blue in der Lage den Weltmeister Garry Kasparov in einem Schachturnier zu besiegen und rückte so die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz in den Fokus der Öffentlichkeit. Aufgrund der gestiegenen Rechenleistung war die Maschine in der Lage alle möglichen Schachzüge in kurzer Zeit durchzugehen und die Wahrscheinlichkeit ihrer Erfolgschancen zu berechnen. Dies ist ein gutes Beispiel für eine schwache KI in der eine Maschine in der Lager ist in einem speziellem und stark begrenztem Anwendungsgebiet herausragende Leistungen zu erbringen, die die menschlichen Fähigkeiten übersteigen. Seit 1997 hat sich im Bereich KI natürlich viel getan. Mittlerweile crawlen Bots und Algorithmen kontinuierlich das Internet und die zur Verfügung stehenden Daten um zum Beispiel die Interessen von Menschen zu erkennen und auf dieser Basis individuelle Werbeeinblendungen zu generieren. Auch die Anfragen an Apples Siri oder den Google Assistent werden in der Cloud analysiert, verarbeitet und beantwortet. Die Software ist so konstruiert, dass sie mit zunehmender Datenverfügbarkeit, also zunehmendem Training, immer intelligenter reagieren kann.
Auch wenn es viele Beispiele für aktuelle Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz gibt, so ist die wirkliche Nachbildung des intelligenten menschlichen Verstandes nach wie vor ein unerreichtes Ziel. Bisher gibt es keine KI, die in der Lage ist in verschiedenen Bereichen des Lebens Intelligent zu handeln, sich Wissen in unterschiedlichen Bereichen anzueignen, selbständig zu lernen und intelligente Entscheidungen im Kontext verschiedenen Einflussfaktoren zu treffen. Die wirkliche Disruption ist dann zu erwarten, wenn künstliche Intelligenzen in der Lage sein werden sich selbst weiterzuentwickeln. Dieser Zeitpunkt wird als technische Singulatrität bezeichnet. Ab diesem Zeitpunkt werden die Maschinen in der Lage sein, selbst noch leistungsstärkere, intelligentere Maschinen zu entwicklen. Da ab diesem Zeitpunkt die menschliche Beteiligung theoretisch nicht mehr notwendig ist, ist die Prognose der menschlichen Entwicklung nach diesem Zeitpunkt nahezu unmöglich. Vor diesem Hintergrund liegt in der weiteren Entwicklung der künstlichen Intelligenz wohl die größte Disruption für die menschliche Entwicklung überhaupt.