Geoengineering

Seit 1881 werden im Auftrag der Klimaforschung detaillierte Aufzeichnungen über das globale Klimageschehen angefertigt. Und seit 1881 steigen die Werte unaufhörlich an. Neuesten Erkenntnissen zufolge soll die globale Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts noch einmal um weitere 3 Grad ansteigen. Die mit dem Klimawandel eingehenden Gefahren und zu erwartenden Nachteile sind spätestens mit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls im Jahre 1997 ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt. Kurz darauf stellte sich die Frage, was dagegen zu unternehmen sei. In der Folge arbeiteten führende Klimaforscher ein Strategiepapier aus, nachdem im ersten Schritt der Ausstoß von Treibhausgasen langsamer ansteigen sollte. Da dies nicht den gewünschten Erfolg brachte, folgte mit dem Pariser Klima-Abkommen die Absichtserklärung der führenden Industriestaaten, ihren CO2-Austoß bis 2050 wieder auf den Stand von 1990 zu reduzieren. Die dritte Phase sieht die Umsetzung von Geoengineering vor.

 

Was ist Geoengineering und wie funktioniert es?

Unter dem sperrigen Begriff ist letztlich zu verstehen, dass die globale Klimaentwicklung bewusst gesteuert wird. Zu diesem Zweck werden immense Datenmengen der planetarischen biochemischen Vorgänge benötigt, um anschließend einen konkreten Parameter zu manipulieren. Die gegenwärtigen Machbarkeitsstufen fußen auf theoretischen Überlegungen, denen zufolge mittels, aus Flugzeugen, abgeworfenem Silizium oder Aluminium Wolkenbildung in der oberen Troposphäre unterbunden oder begünstigt werden soll. Dieser Prozess wird auch als "Impfung" bezeichnet. Die Klimaforscher erhoffen sich davon den Vorteil, den Effekt des Klimawandels zu verlangsamen bzw. bis zu einem gewissen Grad sogar umkehren zu können. Im Rahmen solcher Projekte müssten allerdings zehntausende Maschinen im 24-Stunden-Modus operieren, um angemessene Ergebnisse zu erzielen. Da derartige Zielsetzungen aus finanziellen Gründen kaum zu stemmen sein werden, müsste man sich bei der Umsetzung auf wenige Schlüsselregionen der Erde (die Tropen- und Polargebiete sowie Wüstengebiete mit globalem Wirkungskreis wie die Sahara) konzentrieren. So sind zuletzt Stimmen laut geworden, die anmerken, dass Manipulationen der chemischen Zusammensetzung der Stratosphäre (15.000 bis 50.000 Meter über der Erdoberfläche) deutlich effizienter umzusetzen wären. Eine weitere Alternative betrifft die Option die Sonnenaktivität direkt im All zu reduzieren. Dies würde den Einsatz gigantischer "Sonnenschirme" bedeuten, die in einer stabilen Umlaufbahn zwischen der Erde und der Venus platziert werden müssten, um die Erde vor einem Teil der Sonneneinstrahlung zu bewahren.

 

Seit wann gibt es Geoengineering?

Der Mensch verfolgt seit jeher das Bestreben, Allmacht zu erreichen. Und Wetterkontrolle ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg dorthin. So führten bereits die ersten menschlichen Zivilisationen Rituale mit dem Ziel erhöhter Regenfrequenz durch. In der Neuzeit erfolgten schließlich technische Experimente zur regionalen Wettermodifikation. Allerdings war zu beobachten, dass die Anstrengungen seit den Fünfzigern des 20.Jahrhunderts erheblich angestiegen. Was darauf zurückzuführen ist, dass die beiden Machtblöcke im "Kalten Krieg" wirklich alle Optionen auf deren Waffentauglichkeit hin überprüften. Die militärischen Projekte wurden nach und nach fallengelassen, weil Waffen nur dann Sinn ergeben, wenn ihr Wirkungskreis auf eine bestimmte Region beschränkt werden kann. Geoengineering zieht jedoch grundsätzlich globale Auswirkungen nach sich, selbst wenn es nur regional angewendet wird. So gelangten Klimaforscher zu der Überzeugung einen Vorteil aus den Erkenntnissen der Militärs gewinnen zu können. So geht die erste Empfehlung an US-Präsident Johnson, Geoengineering zivilem Nutzen zuzuführen, auf das Jahr 1965 zurück. Bedeutende wissenschaftliche Aufmerksamkeit gelang jedoch erst in den Siebzigern, als der italienische Physiker Cesare Marchetti den Vorschlag unterbreitete, Kohlenstoffdioxid zukünftig nicht mehr in der Atmosphäre anzureichern. Stattdessen wollte er das Gas komprimiert sammeln und anschließend Meeresströmungen nutzen, um es in die Tiefsee zu transportieren (er wollte also dieselbe Taktik anwenden, die bereits bei Atommüll versagt hatte). Folglich bescheinigten Marchettis Kollegen seinem Vorschlag keinen großen praktischen Nutzen. Realistischere Ansätze sind seit der Jahrtausendwende zu vernehmen. So brachte der Nobelpreisträger Paul Crutzen 2006 die Idee ins Spiel, die Stratosphäre mit Schwefeldioxidpartikeln anzureichern, um das einfallende Sonnenlicht zu reflektieren (oder anders formuliert: Er schlug vor, einen massiven Vulkanausbruch zu simulieren). Darauf aufbauend, folgten zahlreiche Theorien unzähliger Klimaforscher, wie die Klimakatastrophe abzuwenden sei.

 

Was ist theoretisch machbar und welche praktischen Anwendungen gibt/gab es bisher?

Die militärischen Forschungen suchten nach einer Methode, regional begrenzte Wetterextreme wie Dürren oder Überschwemmungen auslösen zu können. Zu diesem Zweck war es notwendig, Hoch- und Tiefdruckgebiete zu steuern. Folglich konzentrierten sich die Bemühungen der Forscher darauf, Wolkenansammlungen zu impfen bzw. den Jetstream nachhaltig zu beeinflussen. Mit diesen Methoden wurden zwar durchaus messbare Ergebnisse erzielt, welche militärisch jedoch unbrauchbar waren, da der erzielte Effekt durch die ihn umgebenden Luftschichten annähernd wieder aufgehoben wurde. So zeigt sich auch auf dem Gebiet der Wettermanipulation und dessen großem Bruder, dem Geoengineering, wieder einmal der größte Nachteil des kapitalistischen Systems. Sehr viele theoretische Konstrukte warten, trotz ausreichender materieller Ressourcen, auf ihre Umsetzung, da sie nicht zu finanzieren sind. So befassen sich die gegenwärtigen Diskussionen noch überwiegend damit, die militärischen Erkenntnisse so anzuwenden, dass ein globaler Effekt erzielt werden kann. Diese Strategie dürfte jedoch kaum zielführend sein, da sie bereits seit fünf Jahrzehnten ergebnisoffen diskutiert wird. Neue Studien zum Thema Geoengineering favorisieren folgende Vorgehensweisen:

 

Reduzierung der Sonneneinstrahlung

Diese Methode hätte zweifelsfrei den Vorteil, dass sie sehr schnell und umfassend wirken würde. Das Ziel ließe sich erreichen, indem Schwefeldioxid in die Stratosphäre "gesprüht" würde. Die Partikel reflektieren das einfallende Sonnenlicht ins Weltall und senken so dauerhaft die globale Temperatur. Führende Klimaforscher nehmen an, dass die laufenden Kosten erschwinglich wären, etwa in der Größenordnung des heutigen internationalen Weltraumprogramms. Nachteilig dürfte sich auswirken, dass die Schwefelpartikel die bereits angegriffene Ozonschicht weiter schädigen würden. Alternativ dazu müsste die Sonneneinstrahlung bereits im All geblockt werden. Die NASA hat zu diesem Zweck schon vor Jahrzehnten Prototypen entwickelt, die sich im All stabil positionieren und steuern lassen. Der entscheidende Vorteil dieser Technologie ist, dass sich die Maßnahme bei Bedarf auch kurzfristig wieder rückgängig machen ließe.

 

Extraktion des Kohlenstoffdioxides aus der Atmosphäre

Ein anderer Ansatz setzt an der gegenüberliegenden Seite des Problems an. Durch massiven Materialeinsatz soll die Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Troposphäre deutlich reduziert werden. Auch diese Theorie imitiert ein natürliches Phänomen: Die Fähigkeit von Pflanzen, Kohlenstoffdioxid zu emittieren. Daher sieht die gegenwärtig realistischste Machbarkeitsstufe vor, riesige Masten mit Kohlenstoffdioxidsammelbehältern aufzustellen. Diese "künstlichen" Bäume hätten zwar den Vorteil, dass sie die Konzentration des Treibhausgases in der Troposphäre effektiv reduzieren würden. Doch stellt sich als Nachteil heraus, dass die Technologie technisch bereits an der Grenze des Machbaren operiert und damit quasi nicht zu finanzieren ist.

 

Was sind die Vorteile und Nachteile für Geoengineering?

Wie jede neue Technologie vereint auch das Konstrukt Geoengineering mehr Risiken (Nachteile) als Chancen (Vorteile). Die bedeutendsten von ihnen sind:

 

Vorteile

 

Kurzfristige ökologische Stabilisation

Die Umsetzung der Forderungen der führenden Klimaforscher hätte zweifelsfrei den Vorteil, die schwankenden klimatischen Bedingungen auf der Erde temporär zu stabilisieren. Dies würde der Menschheit, den Tieren und der Pflanzenwelt eine notwendige Atempause verschaffen.

 

Stabile ökonomische Erträge

Menschen reagieren auf Bedrohungen immer erst dann, wenn sie die Auswirkungen direkt betreffen. So ist es kein Zufall, dass der breiten Öffentlichkeit die Nachteile des Klimawandels erst zur Jahrtausendwende nachhaltig dargelegt wurden. Damals traten nämlich in den Subtropen die ersten negativen Effekte auf. Sehr lange Dürreperioden und Hitzewellen beschnitten die Einkünfte der Lebensmittelindustrie, die ihre Produkte bevorzugt in Billiglohnländern anbauen lässt. Demnach ist der aktuelle Hype bezüglich der Klimarettung auf den Lobbyismus global agierender Großkonzerne zurückzuführen, die sich Sorgen um ihre Bilanzen machen. So lässt sich auch nachvollziehen, warum die Industriestaaten bislang nur mit halber Kraft an dem Projekt arbeiten: Sie erwarten, dass sich die Konzerne in angemessener Höhe an den zu erwartenden Kosten beteiligen. Solang diese Zusage ausbleibt, wird sich am Status quo nicht viel ändern.

 

 

Nachteile 

 

Unkalkulierbare Konsequenzen

Der entscheidende Nachteil der Überlegungen zum Geoengineering ist, dass selbst führende Klimaforscher darauf verweisen, dass das globale Klimageschehen über ausreichende Kompensationsmöglichkeiten verfügt. Das Weltklima definiert sich über deutlich höhere Zeiträume, als menschliche Individuen es gewohnt sind. Laut der Forschung beträgt der Mindestzeitrahmen, in dem man klimatische Entwicklungen nachvollziehen kann, 10.000 Jahre. Während solcher Zeitspannen sind selbst starke Schwankungen nicht ungewöhnlich und können vom Klimasystem problemlos ausgeglichen werden. So wird es letztlich zu katastrophalen Ergebnissen führen, wenn ohne angemessene Datenbasis an einem derart komplexen System herumgepfuscht wird. Die potentiellen Nachteile umfassen:

  • Hohe Regionale Temperaturunterschiede
  • Veränderungen der Niederschlagsmuster
  • Schädigung der Ozonschicht
  • Negative Auswirkungen auf Flora und Fauna
  • Verstärkung des sauren Regens
  • Auswirkungen auf die natürliche Bewölkung
  • Starker Temperaturanstieg befürchtet, wenn das Projekt ungeplant abgebrochen werden muss

Ein besonderes Augenmerk gilt es dem potentiellen Nachteil zu widmen, der entstünde, wenn Geoengineering abrupt unterbrochen würde. In diesem Falle würde ein extremer Rückschlageffekt einsetzen, der die globale Durchschnittstemperatur um 2 bis 4 °C pro Dekade anheben würde, was der 20-fachen Rate des aktuellen Anstieges entspricht.

 

Fazit

"Zwei Größen sind unendlich: Die Ausdehnung des Universums und die Dummheit der menschlichen Spezies."

Albert Einstein

 

Das größte Genie des 20.Jahrhunderts war bis zu seinem Tode von der Überzeugung beseelt, von Vollidioten umzingelt zu sein. Wer den vorangegangenen Bericht aufmerksam analysiert, wird zu dem Schluss gelangen, dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat. Die bisherigen Erkenntnisse der Klimaforschung sind bestenfalls dazu geeignet, die klimatische Entwicklung der nächsten 12 Monate zu prognostizieren. Und dennoch wird darüber diskutiert, ein System zu manipulieren, das bislang erst in seinen Grundzügen verstanden wird. Wer die Vorteile und Nachteile der Strategie gegeneinander abwägt, wird Horrorszenarien vor Augen haben. Doch da Geoengineering grundsätzlich humanistische und positive Ideale anstrebt, dürfte es leider zu einer internationalen Übereinkunft kommen, sobald die aktuellen Spannungen zwischen den Großmächten abklingen. So dürfte Geoengineering, nach dem Abschluss der Marsmission, das nächste Großprojekt der Menschheit werden. Mit der Umsetzung ist gegen Ende des laufenden Jahrhunderts zu rechnen. So bleibt abschließend festzuhalten, dass Einstein zumindest den Vorteil hat, diese Misere nicht mehr mitbekommen zu müssen.